Lübeck,
17. Januar 2022
2G bei Vermietung?
Thomas Klempau, DMB Mieterverein Lübeck
In einer Presseanfrage ging es um eine Wohnung, die über ein
Online-Portal angeboten wurde mit dem Hinweis, dass sie nur an Geimpfte
oder Genesene vermietet werde. Nach Auskunft des vermietenden Maklers
handelt es sich um seine Privatwohnung und die gestellte Bedingung sei
im Rahmen seines Hausrechts zulässig.
Der Redakteur bat uns um
Stellungnahme, ob eine solche Einschränkung mietrechtlich zulässig sei,
ob es Umstände gäbe, unter denen ein Vermieter darauf bestehen könne,
über den Impf- oder Genesenenstatus des Mieters bei oder nach Anmietung
informiert zu werden und welche Konsequenzen es für den Wohnungsanbieter
haben könnte, sofern eine solche Bedingung widerrechtlich sein sollte.
Er bekam folgende Auskunft:
"Generell wäre ein
ausreichender Bestand an Wohnraum in allen Preis- und Wohnsegmenten
wünschenswert, so dass Vorgaben über Zugangs- oder Ausschlusskriterien
vermutlich in den Hintergrund rücken würden. Die Verknüpfung eines
Mietangebotes mit dem Vorhandensein eines bestimmten Gesundheitsstatus
ist rechtlich bedenklich und moralisch unanständig, zumal die
individuellen Gesundheitsdaten eines Menschen jedenfalls im Bereich der
Wohnraumerlangung durch Kauf oder Miete niemanden etwas angehen sollten.
Dabei macht es keinen Unterschied, ob jemand sagt, er würde seine
Privatwohnung vermieten und sich für die gestellte Bedingung auf sein
Hausrecht berufen. Denn hier geht es um eine Wohnung, die auf einer frei
zugänglichen Webseite öffentlich angeboten und nicht etwa außerhalb der
Öffentlichkeit im engeren Freundes- oder Bekanntenkreis vermietet wird.
Zu prüfen wäre, ob ein Verstoß
gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorliegen könnte mit der
Folge, dass ein Benachteiligter die Beseitigung der Beeinträchtigung und
ggf. eine angemessene Entschädigung verlangen kann. Im Zusammenhang mit
dem Zivilrechtsverkehr heißt es in § 19 AGG:
(1) Eine
Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und
Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1.
typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in
einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei
denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine
nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer
Vielzahl von Fällen zustande kommen ... ist unzulässig.
Das AGG dient im Bereich des
Zivilrechts dem Schutz vor Benachteiligungen aufgrund der in § 19 Absatz
1 explizit aufgezählten Kriterien (Rasse, ethnische Herkunft ...). Die
im Wohnungsinserat genannte Bedingung ist zwar nicht unmittelbar unter
eines dieser Kriterien zu subsumieren. Gleichwohl kann eine
Benachteiligung auch mittelbar aufgrund scheinbar neutraler Kriterien
erfolgen, wie es bei “fehlenden Deutschkenntnissen”, “ungesicherter
Aufenthaltserlaubnis” oder bei "Testingverfahren" bereits gerichtlich
entschieden worden ist. Weitere Rechtsnormen, z.B. Sittenwidrigkeit,
Schikaneverbot, Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben oder
europarechtliche Grundlagen wären ebenfalls zu prüfen und könnten
einschlägig sein. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtslage derzeit so
einzuschätzen, dass sich ein Vermieter mit einer solchen Vorgabe auf
einem dünnen Eis bewegen könnte.
Einen einklagbaren
Anspruch gegen einen Mieter oder Mietinteressenten auf Abgabe einer
Information über den Impf- oder Genesenenstatus gibt es nicht.
Allerdings kann ein Vermieter z.B. den Zutritt zu seinen Privatbereichen
wie jeder Hausrechtsinhaber an bestimmte Bedingungen knüpfen. Bei einem
bereits abgeschlossenen Mietverhältnis stellt der Gesundheitsstatus
eines Mieters kein berechtigtes Interesse dar, welches den Ausspruch
einer Kündigung seitens des Vermieters rechtfertigen könnte. Bei
Anmietung ist die Situation anders. Dort gibt es viel Freiraum für die
Anbieterseite bei der Auswahl von Mietinteressenten im Rahmen der
marktwirtschaftlichen Möglichkeiten sowie unter Berücksichtung etwaiger
einschränkender Regelungen (z.B. das AGG). Eine generelle
Vermietungspflicht – außer im Bereich von Sozialwohnungen – besteht
nicht.
Die Konsequenzen, die das AGG vorsieht, sind dort in § 21
nachzulesen und beziehen sich auf das Unterlassen solcher Bedingungen
sowie ggf. auf Schadensersatz, sofern es sich nicht um einen
Vermögensschaden handelt. So hatte z.B. das AG Hamburg Barmbek mit
Urteil v. 3.2.2017 (Az. 811b C 273/15) die dreifache Monatsnettomiete
als Entschädigung zugesprochen, weil ein Mietinteressent wegen eines
ausländisch klingenden Namens nicht zu einer Besichtigung eingeladen
worden war."
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