Lübeck, 31.1.2024

Mietspiegel 2023

 Thomas Klempau, DMB Mieterverein Lübeck

Über alle Mietspiegelfelder hinweg haben sich die Bestandsmieten in der Hansestadt Lübeck innerhalb der letzten fünf Jahre im Durchschnitt um 27,4% erhöht. Ein solcher Anstieg ist für Lübecker Verhältnisse erheblich und ein deutliches Alarmzeichen, dass es ein viel zu geringes Angebot an verfügbaren Wohnungen gibt. Bestätigt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass die Leerstandsquote stark gesunken ist und nur noch 0,6% beträgt. Bei einem derart niedrigen Wert spricht man allgemein von einem sehr angespannten Wohnungsmarkt oder sogar von Wohnungsnot.

Mussten im Jahr 2018 für eine 60 m² große Wohnung im Mietspiegeldurchschnitt 400 Euro gezahlt werden, waren es im Jahr 2023 bereits 510 Euro. Ein derart rasanter Mietenanstieg bereitet große Sorge und korrespondiert bei den Bestandswohnungen regelmäßig nicht mit einer entsprechenden Verbesserung der Wohnqualität aufgrund von Investitionen in das Mietobjekt, in das Gebäude oder in das Wohnumfeld. Er ist auch nicht allein das Resultat aus steigenden Baustoff-, Energie- und Personalkosten oder erhöhter technischer und energetischer Anforderungen bei Sanierung und Neubau, sondern vor allen Dingen die Folge einer enormen Wohnraumknappheit. Bei aktuell 125.650 Lübecker Haushalten besteht unter Ansatz einer Fluktuationsreserve von 3% ein Wohnungsbedarf im Eigentums- und Mietsegment von insgesamt mindestens 129.500 Wohnungen. Tatsächlich gibt es in Lübeck aktuell lediglich 121.500 Wohnungen. Damit klafft schon jetzt eine Wohnraumlücke von 8.000 Einheiten.

Der leergefegte Wohnungsmarkt trägt entscheidend dazu bei, dass die Angebotsmieten steil nach oben gehen und das Mietpreisniveau insgesamt stark anheben. Die allgemeine Lohnentwicklung kann lediglich einen kleinen Teil des Anstiegs bei der Wohnkostenbelastung kompensieren, zu der neben der Miete auch noch Heiz-, Betriebs- und Energiekosten gehören, die ebenfalls nur eine Richtung kennen und immer teurer werden. Hinzu kommt, dass auf der Anbieterseite alles andere als Zurückhaltung bei Mieterhöhungen und Neuvertragsmieten zu beobachten ist. In unseren Beratungen haben wir es seit gut fünf Jahren mit einer in diesem Ausmaß bisher nicht dagewesenen Flut an Mieterhöhungsvorgängen zu tun. Es ist unbedingt zu empfehlen, Mieterhöhungsverlangen prüfen zu lassen, da immer wieder Fehler zu finden sind.

Mit Blick auf die rasante Mietpreisentwicklung stellt sich die Frage, ob es angemessen und fair ist, auf der Entgeltseite eines Mietverhältnisses das Abschöpfen der Folgen einer inzwischen verstetigten Wohnraumknappheit weiterhin nahezu ungebremst zu ermöglichen und dabei unberücksichtigt zu lassen, ob dem im konkreten Mietverhältnis ein adäquater Zuwachs bei der Wohnqualität gegenübersteht oder ob der Mieterhaushalt finanziell überfordert wird? Eine Deckelung von Wohnraummieten findet bisher auf keiner politischen Ebene Mehrheiten. Schleswig-Holstein war das erste Bundesland, welches die Kappungsgrenzenverordnung nicht verlängert und die Mietpreisverordnung sogar vorzeitig aufgehoben hat. Und noch nicht einmal die vom DMB Landesverband Schleswig-Holstein und vom Sozialverband Deutschland organisierte Volksinitiative zur Aufnahme des Rechts auf angemessenen Wohnraum in die Landesverfassung erhielt vom Landtag eine Mehrheit.

Insofern ist zu fordern, auch im Zusammenhang mit der Erhöhung von Bestandsmieten eine Härtefallregelung analog zur Regelung bei Modernisierungsmieterhöhungen einzuführen, wo ein Härteeinwand (§ 559 Abs. 4 BGB) erhoben werden kann, sofern der von einer Mieterhöhung betroffene Haushalt mehr als 30% seines verfügbaren Nettoeinkommens aufwenden müsste, um die künftige Bruttowarmmiete bezahlen zu können.

Es ist unbedingt notwendig, die Situation im Bereich der Wohnraumversorgung effektiv und nachhaltig in einen fairen Ausgleich zu bringen. Dazu bedarf es einen Masterplan sozialer und gemeinnütziger Wohnungsbau, wie es die IG Bau schon vor drei Jahren richtigerweise gefordert hat. Dem von der Lübecker Wohnungswirtschaft in den vergangenen Jahren favorisierten Ersatzneubau muss Einhalt geboten und stattdessen der Schwerpunkt auf Zusatzneubau, Aufstockung und Ausbau von Dachgeschossen gelegt werden. Denn entscheidend ist letztendlich nicht die Anzahl fertig gestellter Wohnungen, sondern die Frage, ob sich der Gesamtbestand an Mietwohnungen auf der Angebotsseite unter dem Strich vergrößert hat und ob die neu errichteten Wohnungen für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen leistbar sind.

Auch die berühmten Sickereffekte, die gern als Argument bemüht werden, dass der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen den Markt entlaste, da die künftigen Eigentümer ihre bisherigen Mietwohnungen frei machen, verschleiert, dass die frei gewordenen Wohnungen regelmäßig zu Höchstpreisen neu vermietet werden und daher für Haushalte mit finanziell eingeschränkten Möglichkeiten nicht in Betracht kommen. Außerdem ist es keineswegs so, dass Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen ausschließlich von Personen erworben und bezogen werden, die zuvor eine Wohnung in Lübeck angemietet hatten.

 "Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit" (Horst Seehofer). Insofern sollte es allen Menschen in Deutschland möglich sein, eine angemessene Wohnung mieten und bezahlen zu können. Aktuell besteht diese Möglichkeit in Lübeck jedoch nicht. Der erhebliche Rückgang im Sozialwohnungsbestand und die nicht ausreichende Anzahl fertig gestellter und leistbarer Zusatzneubauten machen es absehbar, dass auf lange Sicht die Zahl der am Wohnungsmarkt benachteiligten Haushalte auf hohem Niveau bestehen bleibt und sich vermutlich noch erhöhen wird. Das Wohnen zur Miete darf nicht zu einem Armutsrisiko werden!

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