Lübeck,
4.4.2022
Neue Mietobergrenzen in Lübeck ab
1.4.2022
Thomas Klempau, DMB Mieterverein Lübeck
Bei den Mietobergrenzen
handelt es sich um Beträge für Miete und Heiz-/Betriebskosten, die vom
Leistungsträger (z.B. Jobcenter oder Sozialamt) im Höchstfall für
Haushalte übernommen werden, die Leistungen nach SGB II (Hartz IV), SGB
XII (Sozialhilfe) oder dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen.
Zu begrüßen ist, dass die
Beträge für die Nettokaltmiete in der
MOG-Tabelle zum 1. April
2022 deutlich angehoben worden sind, was unter Berücksichtigung der
enormen Mietsteigerungen, die seit der letzten MOG-Anpassung zum 1.
Januar 2019 in Lübeck stattgefunden haben, auch dringend notwendig
gewesen ist. Darüber hinaus sollen die Beträge für die Heizkosten, die
in der MOG-Tabelle ausgewiesen werden, künftig jährlich überprüft und
ggf. angepasst werden, was ebenfalls sinnvoll und geboten ist.
Seit Einführung der
Gesamtangemessenheitsgrenze in Lübeck durch Beschluss des
Sozialausschusses vom 4. Dezember 2018 ist zumindest im Bereich des SGB
II-Bezuges die Möglichkeit eröffnet, höhere Aufwendungen für Unterkunft
durch geringere Aufwendungen für Heizung ausgleichen zu können, was auch
für den umgekehrten Fall gilt. Das hilft einerseits dem kommunalen
Leistungsträger. Denn durch Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze
steht zumindest in der Theorie mehr „KdU-fähiger“
Wohnraum im
Verwaltungsbereich zur Verfügung. Auf Seiten der Hilfebedürftigen
erweitert sich das Spektrum der MOG um den jeweiligen Höchstbetrag aus
dem Heizspiegel, der für die Energieträger Erdgas, Heizöl und Fernwärme
ausgewiesen wird und in die Gesamtangemessenheitsgrenze einfliest, wobei
es möglich bleibt, nach entsprechender Prüfung im Einzelfall auch höhere
Bedarfe anerkennen zu können.
Angesichts des viel zu
geringen Bestandes an bezahlbaren Wohnungen in Lübeck räumt das
Konstrukt „Gesamtangemessenheitsgrenze“ jedoch nur scheinbar erweiterte
Dispositionsfreiheiten ein. Die Praxis zeigt, dass sich das
Wohnraumangebot für SGB II-Bezieher trotz Gesamtangemessenheitsgrenze in
Wirklichkeit nicht signifikant vergrößert und Versorgungsprobleme auch
weiterhin bestehen. Insbesondere bei kleinen Wohnungen bis zu 50
Quadratmeter ist das Angebot knapp und teuer. Es gibt viel zu wenige
Wohnungsmarktakteure, die bemüht sind, den Bestand an Wohnungen mit
preisgünstigen Mieten durch Zusatzneubau spürbar zu erhöhen, obwohl der
stark steigende Bedarf unübersehbar ist. Und es wird sehr deutlich, dass
eine ausreichende Versorgung von Menschen, die aufgrund ihrer Berufs-
und Lebensumstände nur über eingeschränkte finanzielle Möglichkeiten
verfügen, mit für sie bezahlbaren Wohnraum über Marktmechanismen nicht
erreichbar ist. Mit klaren Worten wird das beispielsweise in dem Urteil
des AG Lübeck v. 1.2.2022 (Az. 33 C 1544/21, WuM 2022, S. 285-286)
angesprochen, bei dem es um eine Räumungsklage gegen einen
Mieterhaushalt ging, der Leistungen vom Jobcenter bezieht: "Es ist
gerichtsbekannt, dass der Lübecker Wohnungsmarkt generell, vor allem
aber in dem Segment der von den Beklagten monatlich aufbringbaren
Mietzahlungen katastrophal ist."
Ziel muss es sein, dass
ein ausreichendes Wohnraumangebot zur Verfügung steht und
Leistungsbezieher nicht gezwungen sind, Kosten für Unterkunft und
Heizung aus dem Regelbedarf finanzieren oder umziehen zu müssen. Sollte
es weiterhin nicht gelingen, den Bau von Wohnungen zu Mieten im unteren
und mittleren Preissegment trotz attraktiver Förderinstrumente ankurbeln
zu können, sind zeitgemäße Konzepte gefordert, um soziale Verwerfungen
zu vermeiden, und zwar durchaus auch solche, die sich an den Strukturen
bis zur Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit Ende der 1980er Jahre
orientieren. Ein erster Ansatz dafür ist bereits im Koalitionsvertrag
2021 - 2025 auf Bundesebene enthalten. Dort heißt es auf Seite 88:
"Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher
Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine
Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren
Wohnraums erzeugen."
In Anbetracht einer
anhaltend hohen Nachfrage nach Wohnungen mit preisgünstigen Mieten und
eines Lübecker Wohnungsmarktes, der seit Jahren nicht mehr in der Lage
ist,
hier
ein
ausreichendes
Angebot
vorzuhalten,
steigt
auch
in der Hansestadt
die Notwendigkeit zum Aufbau eines Wohnungsmarktsegments mit dauerhaft
dem Gemeinwohl verpflichteten Unternehmen als Gegenstück zu einer
Immobilienwirtschaft, die den Fokus immer stärker auf rendite- und
finanzmarktorientierte Gesichtspunkte legt und entsprechend agiert.
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